Die Tradition entwickelt sich immer weiter
Neben den gastronomischen Spezialitäten in den Bergbauerngasthöfen, muss man auch von den gepflegten Traditionen sprechen, wie dem Erhalt der Vogesenrasse, dem Alm-Auftrieb oder Alm-Abtrieb, vom Leben der ehemaligen ‘Melker’ und Kuhhirten
Die Vogesenrasse
Um ein Haar wäre unsere bewegliche und grazil-schöne Vogesenkuh verschwunden, um leistungsstärkeren Kühen Platz zu machen.
Man kann sich die Vogesenhöhen ohne ihr schwarz-weiß gesprenkeltes Fell und ihren langgezogenen breiten weißen Strich entlang des Rückgrats einfach nicht vorstellen…
Robust und rustikal ist diese Rasse mit ihrer mittleren Größe, die sowohl als Milch-, wie auch als Fleischlieferantin gehalten werden kann. Sie läuft gerne und viel, sie ist lebendig, bleibt aber meist gelassen und passt sich ideal besonders schwierigem Gelände an. Ihre Ursprünge reichen bis ins 17. Jahrhundert zurück, sie soll schon im 30-jährigen Krieg mit schwedischen Truppen hierher gekommen sein.
Diese widerstandsfähige Rasse ist demnach schon lange im Vogesenmassiv heimisch und hat sich eine perfekte Trittsicherheit erworben und sich den rauen klimatischen Bedingungen ohne Schwierigkeiten angepasst. Im frühen 20. Jahrhundert und ihrer Blütezeit wurden bis zu 125.000 Tiere gezählt, jedoch gingen die Auswirkungen der beiden Weltkriege, Krankheiten und der Niedergang der Höhenlandwirtschaft nicht spurlos an der Vogesenkuh vorbei: 1977 zählte man gerade noch 3.000 Tiere!
Schon seit 1947 hatte sie jegliche offizielle Anerkennung als selbständige Rasse verloren.
Dank Jean Wehrey, dem Ehrenpräsident des Vereins (in 2021 gestorben) und einigen anderen Liebhabern der Vogesenrasse wurde 1977 ein Plan zu ihrer Rettung erarbeitet. Dieser Plan wurde tatkräftig umgesetzt und verhalf ihr zu einem neuerlichen Aufschwung.
Heute ist sie unerlässlich als Landschaftspflegerin tätig, um die offenen Weidflächen der Hochvogesen weiterhin freizuhalten und vor einer Verbuschung zu bewahren.
Die Vogesenkuh ist als Sympathieträger ungeheuer wichtig, damit ihre Milch und die darauf basierenden Produkte authentisch mit der Landschaft der Vogesen in Beziehung gesetzt werden kann. Ihre jährlichen Milchleistung von schmackhaften 4.000 Litern ist mit einem reichen Fettanteil und dem Futter der Bergwiesen ideal zur Herstellung von Münsterkäse geeignet. Ihr feinfaseriges Fleisch wird von Feinschmeckern sehr geschätzt. Sie können es in den ‘Ferme-Auberges’ in Ihren Tellern genießen – es ist mehr als jemals zuvor, Garant und Beispiel der traditionellen ‘Melker’-Kultur auf den Hochflächen der Vogesen.
Der Almauftrieb und der Almabtrieb
Das Vogesenmassiv ist ein Gebirge, in dem die Rinderzucht seit jeher einen besonderen Stellenwert besitzt. Mit der Rodung der Hochvogesen im Mittelalter ist die darauffolgende Tierhaltung eng verknüpft. Die saisonale Bewirtschaftung der Almen ist deshalb für manche Regionen, wie vor allem dem Münstertal, auch heute noch typisch.
Das Jahr der ‘Kuhhirten’ teilt sich in zwei strikt getrennte Hälften. Die eine geht vom 29. September (St. Michael) bis zum 25. Mai (St. Urban). Dabei wird das Winterquartier in einem Dorf im Tal bezogen. Die Sommermonate ab 25. Mai werden dann auf der Alm verbracht.
In den Hochvogesen leben die Landwirte seit tausend Jahren im Rhythmus des Alm-Auftriebs und Almabtriebs und damit gemäß einer Tradition, die sich von Generation zu Generation bis heute erhalten hat.
Der Almauftrieb («’s Wandla ») ist ein wichtiger Vorgang im Leben eines Viehhirten. Das Datum wird nach den klimatischen Bedingungen, aber auch nach strengen Regeln und traditionellen Vorgaben gewählt, so zB. niemals an einem Freitag, denn das ist der Todestag von Jesus Christus. Für diesen bedeutenden Festtag werden die Kühe säuberlich geputzt und gebürstet sowie ihre Hufe geschnitten. Ebenso werden die Kuhglocken glänzend poliert. Die Kuhherde folgt dann dem Hirten und der Leitkuh (« Meisterküeh »), die daran zu erkennen ist, dass sie bis nach Hause die größte Glocke trägt. Einige Kühe sind zudem mit Kränzen und Blumen geschmückt.
Bis in den späten Herbst hinein und bis das Gras völlig ausgetrocknet ist, bleiben die Herden auf der Hochebene – manchmal solange bis die Temperaturen empfindlich fallen und der erste Schnee die Almen bedeckt !
Der Melker / Viehhirte
Seit dem 9. Jahrhundert bewirtschaften die ‘Melker’ die Hochflächen der Vogesen, nachdem sie diese mühsam gerodet hatten. Es waren die ‘Melker’ von der elsässischen Seite, die als erste ihre Sprache, ihre Traditionen und Bräuche auf die Hochvogesen brachten.
Der ‘Melker’ ist demnach ein Bergbauer, der sich im jahreszeitlichen Wechsel um seine ihm anvertraute Kuhherde kümmert und die gewonnene Milch zur Käseherstellung, vor allem des Münsterkäses, verwendet. Jedes Jahr verlassen die Viehherden, je nach Wettersituation, Anfang Juni bis in den Oktober hinein ihre Ställe in den Tälern und ziehen auf die Hochflächen in die ‘Melkereien’ (« d’Malkerei »).
Heutzutage sind die ‘Melker’ in der Regel als Landwirte und Wirte der Bergbauerngasthöfe tätig und setzen diese überlieferte Tradition jedes Jahr aufs Neue fort.
’Melker’ sind immer gastfreundliche Leute gewesen, da es ihnen seit langer Zeit zur Gewohnheit geworden war, Gäste in aller Bescheidenheit, aber mit viel Herzlichkeit zu empfangen. Dieses Wissen haben die heutigen Betreiber der Bergbauerngasthöfe tief verinnerlicht ; er kommt u.a. beim großzügigen Empfang der Gäste zum Ausdruck.
Die Melker und ihre Nachfolger gehören untrennbar zu dieser Landschaft und finden sich in zahlreichen Liedern, Sagen und Geschichten verewigt. Die ‘Melker’ haben mit dem heiligen Laurentius ihren eigenen Heiligen, dessen Fest alljährlich am 10. August begangen wird, das die zweite Hälfte der Sommersaion einläutet.
Zum heutigen Bild des Bergbauern gehört ebenfalls das Alphorn, das mit seinen Klängen und seinem vielstimmigen Echo bei keinem Bergfest («Barikelb») fehlen darf. Dazu wird die traditionelle Kleidung getragen, wie zB. bei den Männern eine ärmellose, graue oder blaue Drillichweste und darunter ein helles Hemd, eine robuste, dunkle Rippsamthose, ein Paar Holzschuhe und ein ledernes Melkerkäppchen auf dem Kopf.